Nach 15 Prozesstagen endete heute der Prozess gegen den Täter des Femizids an Walaa im Mai 2024. Das Urteil lautete Mord. Lesen Sie die Pressemitteilung des Netzwerk gegen Feminizde Göttingen, das den Prozess begleitete.
Nach 15 Prozesstagen endete heute der Prozess gegen den Täter des Femizids an Walaa im Mai 2024. Das Urteil lautete Mord. Vor dem Gericht haben sich Nachbar_innen, Bekannte und Personen aus dem Netzwerk gegen Femizide mit Blumen und Kerzen versammelt, um den Abschluss des Prozesses mit einem Gedenken an Walaa zu begleiten.
Göttingen, 20.02.2025. Heute fiel im Landgericht Göttingen das Gerichtsurteil im Prozess gegen den Täter, der seine Ex-Frau Walaa im Mai 2024 in Grone mit 23 Messerstichen tötete. Das Urteil des Gerichtes lautet Mord. Das Landgericht erkennt mit diesem Urteil die Absichtlichkeit der grausamen Tat an. Das Netzwerk gegen Femizide Göttingen hat den gesamten Prozessverlauf über fünf Monate begleitet. „15 Prozesstage – so lange verfolgten und protokollierten wir zusammen mit anderen engagierten Menschen die Aussagen zum grausamen Tatverlauf“, so die Sprecherin Friederike Spies vom Netzwerk. In der Urteilsbegründung wurde die Gewalthistorie des Täters aufgeführt. Sowohl von der Ex-Freundin des Täters, als auch von Walaa gab es polizeiliche Anzeigen zu körperlicher und psychischer Gewalt. „Walaa wurde vom Täter geschlagen und kontrolliert, sie durfte nicht alleine einkaufen gehen, sie durfte nicht die Wohnung verlassen, keinen Sprachkurs machen und die Kinder hatten Angst vor ihrem Vater “, so Sophie Paulmann von der Prozessbegleitung. Walaa war dem Täter an dem Abend schutzlos ausgeliefert, lag nackt auf dem Sofa, als er begann auf sie einzustechen. Richter Jakubetz fasst in der Urteilsverkündung zusammen, „es gibt keinen vernünftigen Zweifel, dass sie es waren“. Alles spricht für einen Mord aus Heimtücke.
Das Netzwerk kritisiert nach der Urteilsverkündung, dass der Richter die Tat nicht als Femizid einordnete und den Zusatz der niedrigen Beweggründe aktiv abgewiesen hat. Der Zusatz der niedrigen Beweggründe ist das Mittel in der Gesetzgebung geschlechterspezifische Gewalt explizit zu benennen. „Die fatale Konsequenz daraus, dass dieser gesetzliche Zusatz nicht genutzt wird ist, dass Walaa die gesamte Tragweite der patriarchalen Gewalt durch den Mörder abgesprochen wird. Es impliziert, dass ein Mann, der seine (Ex-)Partnerin umbringt, weil sie ihm nicht gehorcht, weiterhin darauf zählen kann, dass ihm das vor dem Gericht nicht als niederes Motiv ausgelegt wird und er deshalb nicht mit besonderen Verschärfungen des Urteils zu rechnen hat“ so Friederike Spies. Nach dem Richter Jakubetz kommt dem Täter zudem keine besondere Schwere der Schuld zu, da er nicht vorbestraft ist und eine paranoid narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliege. „Diese Erklärung ist unaushaltbar. Der Grund liegt nicht in seiner Persönlichkeitsstörung, sondern in der patriarchalen Annahme, Walaa hätte ihm gehört,“ so Janne Wand vom Netzwerk.
„Das Gericht hat die juristischen Spielräume nicht genutzt, um den Mord als geschlechterspezifisch, also als Femizid, einzuordnen. Es ist notwendig, dass Femizid als eigener Tatbestand im deutschen Strafgesetz verankert wird. So kann Gewalt gegen Frauen und andere unterdrückte Geschlechter nicht mehr unsichtbar gemacht werden“ sagt Sophie Paulmann nach der Urteilsverkündung zu den bei der Mahnwache versammelten Menschen vor dem Gericht. Der Richter formulierte sein Urteil als Einzelfallentscheidung. „Aber Morde an Frauen sind keine Einzelfälle, sondern Teil des immer wieder tödlichen und gewaltvollen Systems des Patriarchats. Und wir sind wütend darüber, dass die Gerichte dieses System nicht angemessen in ihre Einordnung der Tat aufnehmen“, so Paulmann weiter.
Für die etwa 50 Teilnehmenden der Mahnwache steht warmer Tee und Kaffee bereit. Blumen und Kerzen wurden um ein großes, in der Nachbarschaftsarbeit in Grone geknüpftes, blutrotes Netz niedergelegt und ein kunstvoll gemaltes Banner erinnert an Walaa´s Stärke und ihren Willen zu Leben. „Uns war es wichtig heute hier zu sein“ sagt eine Nachbarin von Walaa aus Grone. „Walaa kommt durch dieses Urteil nicht zu uns zurück, durch nichts in der Welt kann es darin Gerechtigkeit geben! Aber wir wollten, dass sie und das was sie erleiden musste nicht in Vergessenheit gerät, denn die Gewalt durch Männer ist die größte Krankheit an der alle
Frauen und unsere gesamte Gesellschaft leiden.“
Im Netzwerk gegen Femizide ist man sich einig, dass die Beobachtung, Begleitung und Einordnung dieser Prozesse ein wichtiger Teil im Kampf gegen Gewalt an Frauen und weiteren unterdrückten Geschlechtern sind. „Wir standen hier bevor Walaa getötet wurde, denn sie war nicht die Erste. Wir standen auf dem Marktplatz in der Stadt mit über 500 Personen am Tag nach Walaas Ermordung, um sie zu betrauern. Wir standen hier am Tag der Prozesseröffnung um zu zeigen, dass ihre Tötung und die Verhandlung des Mörders nicht ungesehen bleiben. Und wir stehen heute wieder hier, um das Urteil zu vernehmen und einzuordnen“ sagt Janne Wand von Netzwerk. „Nur wenn wir in der Gesellschaft ein umfassendes Bewusstsein für patriarchale Gewalt schaffen und diese Gewalt bekämpfen, können wir eine gerechtere Zukunft schaffen. Wir werden Walaa nicht vergessen sondern ihren Namen weitertragen. Damit Frauen nicht mehr sterben müssen, weil sie Frauen sind und ein selbstbestimmtes Leben führen wollen“, so Wand zum Abschluss der Mahnwache.
Pressemitteilung zur Urteilsverkündung im Prozess zum Femizid an Walaa A_